Afrika im Kontext: Weltbezüge in Geschichte und Gegenwart

Afrika im Kontext: Weltbezüge in Geschichte und Gegenwart

Organisatoren
Vereinigung von Afrikanisten in Deutschland e.V. (VAD)
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.06.2004 - 05.06.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Verena Uka, Historisches Seminar, Universität Hannover

Bericht von Kirsten Rüther und Verena Uka 1

Die Konferenzidee

Vom 2. bis 5 Juni 2004 fand in Hannover die 19. Internationale Konferenz der Vereinigung von Afrikanisten in Deutschland e.V. (VAD) unter dem Motto "Afrika im Kontext: Weltbezüge in Geschichte und Gegenwart" statt. Die Tagung, ausgerichtet unter dem Vorsitz von Prof. em. Dr. Helmut Bley, leistete einen Beitrag zum derzeit diskutierten Begriff des "Weltwissens", indem sie darauf verwies, dass "Welt" und "Moderne" ohne die verschiedenen Beiträge Afrikas und ohne die Verknüpfungen anderer Kontinente mit Afrika nicht zu denken sind. 400 Gäste nahmen in Sektionsleitungen, mit Referaten oder künstlerischen Beiträgen teil oder vertraten Stiftungen, Verlage, Presse und politische Aktionsbündnisse. Die Tagung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die Universität Hannover gefördert. Erfreulich hoch war die Anzahl der Studierenden und Promovierenden, die aus vielen Universitätsstandorten in Deutschland und Österreich angereist waren. Dieses breit gefächerte Publikum ließ das vielfältige Bild derjenigen erkennen, die sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mit Afrika befassen.

Das Tagungsteam in Hannover war darum bemüht, bei Wahrung der wichtigsten VAD-Kontinuitäten einzelne neue Schwerpunkte zu setzen. Da sich am Standort Hannover die Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater und der Kestner Gesellschaft anbot, wurde ein Kunstprogramm erarbeitet, das sowohl Bestandteil der Tagung als auch kulturelles Rahmenprogramm war. Dieses Kulturprogramm war ausdrücklich auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger gerichtet, die nicht an der Tagung teilnahmen. Zudem wurde mit der Strukturierung der Tagung in jeweils nur zwei parallel laufende Tagessektionen und drei zusätzliche Panels die Anzahl der Vorträge bewusst reduziert. Innerhalb der Sektionen trugen die Leitungsteams dazu bei, mit komparativen Methoden zu experimentieren und die Rolle von discussants zu betonen. Der regionenübergreifende Vergleich mit Lateinamerika war dabei zentral. Dieser Vergleich basiert auf den speziellen Arbeitszusammenhängen in Hannover. Der im Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften der Universität Hannover angesiedelte interdisziplinäre Studien- und Forschungsschwerpunkt "Transformation Studies - Gesellschaftliche Transformationen in Peripherie und Zentrum" kombiniert die klassischen Fachdisziplinen Geschichte, Politische Wissenschaft, Soziologie, Religionswissenschaft und American Studies mit den regionalen Schwerpunkten Afrika und Lateinamerika/Karibik. Im Gegensatz zu eurozentristischen Ansätzen oder den Area-Studies steht die Analyse des wechselseitigen Verhältnisses zwischen Gesellschaften der so genannten Dritten Welt und des Zentrums im Mittelpunkt. Ein Ansatz, den die Tagung aufnimmt, indem die Sektionen Afrika- mit Lateinamerika-Spezialisten kombinieren - ein Novum in der Geschichte der deutschen Afrikaforschung.

Aus den Tagungsergebnissen

Zur Eröffnung sprach Toyin Falola von der University of Austin, Texas, über Sklaverei im Kontext. Das Thema erläuterte Afrikas Verflechtung mit der Welt aus der vielleicht bedeutendsten gemeinsamen historischen Erfahrung des Kontinents. Der Vortrag verdeutlichte, wie stark sich die analytischen Zugänge zum Thema Sklaverei kontinuierlich gewandelt haben. Falola erinnerte daran, dass, um die politische, soziokulturelle und wirtschaftliche Dynamik afrikanischer Gesellschaften zu verstehen, eine interdisziplinäre Beschäftigung mit Afrika weiterhin dringend notwendig ist. Damit waren wichtige Leitfäden vorgegeben, die in den einzelnen Sektionen teilweise wieder aufgegriffen wurden.

Die einzelnen Sektionen befassten sich mit Kunst und Musik im modernen Weltdialog, mit Phänomenen von Staatszerfall und Staatsentwicklung in Afrika und Lateinamerika. Die Rolle von NGOs und sozialen Bewegungen im interkontinentalen Vergleich war ebenso Bestandteil intensiver Diskussionen wie die Koloniale Moderne vor dem Hintergrund spezifisch deutscher Defizite in der kolonialen Vergangenheitsbewältigung. Außerdem gab es eine Tagessektion zur afrikanischen Religionsentwicklung und eine weitere, die sich unter dem Titel "bonds and fractures" mit den transozeanischen Beziehungen Afrikas befasste. Die einzelnen Beiträge an dieser Stelle zu referieren, würde zu weit führen, zumal sie in Kürze auf der Website der VAD zu finden sind.2 Wohl aber bietet sich eine Synopse der Tagungsergebnisse aus methodischer Sicht zur Zusammenfassung der Hauptergebnisse des Kongresses an:
Der Vergleich Afrikas mit anderen Regionen der Welt war in den Sektionen unterschiedlich angelegt. In einigen Sektionen waren die Referatsthemen anhand zuvor ausgearbeiteter Leitlinien vorstrukturiert, so dass sich für komparative Kommentierungen verhältnismäßig viele Anknüpfungsflächen ergaben. Andere Sektionen arbeiteten mit nebeneinander gesetzten Vorträgen zu Einzelregionen, anhand derer die Frage aufgeworfen wurde, unter welchen Bedingungen solche komparativen Studien überhaupt sinnvoll sind. Wieder andere Sektionen bezogen unterschiedliche Regionalfallstudien aufeinander. Die Ergebnisse waren entsprechend unterschiedlich. Während sich teilweise Spezialisten einer Region anhand theoretischer Reflektionen erstmals mit einer anderen Region auseinandersetzten, rangen Sektionen auch um die gemeinsame Basis der angestrebten Vergleiche. Andere sahen in den Annäherungsversuchen an sich bereits einen Erfolg. Auf jeden Fall konnten grundsätzliche Fragen ebenso erörtert werden wie beispielhafte Fallstudien.

Die zusätzlichen Panels thematisierten so wichtige Themen wie HIV/AIDS in Afrika, Zivilgesellschaft und Staat in der Entwicklungszusammenarbeit und einen Vergleich westafrikanischer und klassisch-antiker Kulturkontexte. In allen drei Panels wurde problemorientiert das Verhältnis zwischen Afrika und Europa thematisiert und unter Berücksichtung zahlreicher Praxisbezüge innerafrikanische soziale Dynamiken hervorgehoben.

Sonderveranstaltungen im Tagungsprogramm

Verschiedene Sonderveranstaltungen ergänzten das Tagungsprogramm. Unter anderem war eine Sequenz verschiedener Videofilme installiert, die ein Kaleidoskop afrikanischer Themenbezüge präsentierte. Ein Kurzfilm schnitt das Bild einer patriarchalisch-militanten Gesellschaft zusammen, während andere die Hoffnungen, Unwägbarkeiten und Enttäuschungen in der gegenseitigen Wahrnehmung der jeweils anderen Kulturen verfolgten. Weiterhin wurden Rassismus und afrodeutsches Selbstbewusstsein anhand ausgewählter Lebensentwürfe skizziert.

Ein künstlerisches Programm bot auch der Abend an der Hochschule für Musik und Theater, an dem Lesego Rampolokeng aus Johannesburg rhythmische Poesie vortrug, die zimbabwesche Künstlerin Tsitsi Dangarembga Filmausschnitte präsentierte und Aaron Bebe Sukura und John Collins mit Band ghanaische Palmwein-Musik zum Sektempfang spielten. Der Abend bot die Möglichkeit, unterschiedlich tief eine Bandbreite künstlerischer Ausdrücke aus Afrika zu reflektieren, zumal während des Tages die gegenseitige Beeinflussung der Instrumente und Diskursmodelle des Black Atlantic thematisiert worden waren. Der Abend diente nicht zuletzt der Unterhaltung und trug auf diese Weise zur entspannten Stimmung der Tagung bei.

Das Filmpodium der Tagung, auf dem anhand von Filmausschnitten und Diskussionsbeiträgen durch Regisseure und Filmprotagonisten die in weiten Teilen schwierige Auseinandersetzung Deutschlands mit seiner kolonialen Vergangenheit thematisiert wurde, hinterließ bei vielen gemischte Gefühle. Es wurde deutlich, wie schwierig es zum Beispiel ist, zu einem gemeinsamen Vokabular zu finden und auf gegenseitige Projektionen von Afrika angemessen zu reagieren. Im Kino am Raschplatz nutzten Schulklassen und Kinopublikum ein Sonderprogramm unter dem Motto "Links to Africa: afrikanische Staaten und Deutschland auf Spurensuche". Bei Vorführungen mit anschließenden Filmgesprächen hatten auch Nicht-Tagungsbesucher die Möglichkeit, sich mit afrikabezogenen Themen zu beschäftigen.

Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Neue Wege beschritt die VAD, indem sie erstmalig afrikawissenschaftliche Nachwuchsarbeiten nach den strengen Auswahlkriterien einer interdisziplinär zusammengesetzten Jury mit einem Preis auszeichnete. Die Preisträgerinnen und Preisträger knüpften hohe Erwartungen an die Auszeichnung und unterstrichen damit, wie ernst sie die Verleihung des Preises nahmen. Zudem hatten Promovierende die Möglichkeit, ihre Dissertationsprojekte im Lichthof der Universität mit Postern auszustellen und über ihre Projekte miteinander ins Gespräch zu kommen. An zwei Nachmittagen gab es Gelegenheit, in einem dicht gestaffelten Programm promotionsspezifische Themen anzuschneiden. Insbesondere debattierte die Gruppe über den Umgang mit veränderten Fragestellungen, die Auswahl methodischer Zugänge und die Organisation des Forschungsablaufes. Ein Gespräch zur beruflichen Orientierung rundete die Veranstaltungen ab.

VAD-Tagung 2006

Während der Ordentlichen Mitgliederversammlung erklärte sich das "Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung" Frankfurt (ZIAF) zur Ausrichtung der 20. VAD-Tagung im Jahr 2006 bereit. Die gemeinsame Diskussion der Mitglieder ergab, dass in den kommenden Monaten das nächste Konferenzthema "Wissen in Afrika - Wissen über Afrika" detaillierter ausgearbeitet werden soll.

Anmerkungen:
1 Unter Mitarbeit von Julia Borchers, Felix Krause, Aretta Mbaruk, Sandra Rugenstein, Alexandra Stadelmann und Patrick Wrons-Passmann.
2 Abruf der einzelnen Vorträge in Kürze unter http://www.vad-ev.de

Kontakt

Verena Uka

Historisches Seminar, Im Moore 21
30167 Hannover
0511/762-5734
0511/762-4479
verena.uka@vad-ev.de


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